Freiheit, die einem Blatt Papier entspringt
Die Geschichten, die ich erzähle – ganz gleich, ob sie nun für Erwachsene, für Jugendliche oder für Kinder sind – beginnen stets auf dieselbe Weise: mit einem weißen Blatt Papier.
Sie haben richtig gelesen.Kein Bildschirm, keine Tastatur. Papier.
Ich habe ein Notizbuch, das ich mit mir herumzutragen und in dem ich neue Einfälle und Ideen aufzuschreiben pflege. Natürlich ist es nicht immer dasselbe Büchlein – innerhalb von beinahe drei Jahrzehnten schriftstellerischer Tätigkeit haben sich durchaus ein paar Bände angesammelt. Aber bislang hat noch jedes Projekt auf diese Weise seinen Anfang genommen. Und obwohl meine Handschrift gruselig ist und nur ich selbst sie lesen kann (bestenfalls), habe ich diese Tradition über die Jahre beibehalten – warum?

Michael Peinkofer
Autor, Filmjournalist und Übersetzer
Offen gestanden kann ich es selbst nicht erklären. Aber ich kann beschreiben, was ich empfinde, wenn ich eine frische Seite aufschlage und eine neue Idee zu Papier bringe – in Stichworten, manchmal auch in kleinen Schaubildern und Skizzen, schließlich in ganzen Sätzen. Es ist ein Gefühl von kreativer Freiheit, das ich dabei empfinde und dem der Zauber des Anfangs innewohnt. So ziemlich alles kann auf diesen weißen Seiten entstehen, und so haben im Lauf der Zeit recht bunte Gestalten ihren Weg von meinem kleinen Notizbuch in die Bücherregale gefunden – Greife, Orks und Außerirdische eingeschlossen … doch sie alle sind jenem weißen Blatt Papier entsprungen, das für mich ein Sinnbild schöpferischer Freiheit ist.
Was nicht bedeutet, dass es immer einfach war – nichts kann so inspirierend sein wie ein weißes Blatt Papier und auch kaum etwas so frustrierend. Ideen lassen sich nicht erzwingen, Gedanken nicht beschleunigen. Ein Blatt Papier, das darauf wartet, beschrieben zu werden, stellt immer auch eine Herausforderung dar, manchmal eine Zumutung, in jedem Fall ein Abenteuer.
Die in diesem Buch versammelten Preisträgerinnen und Preisträger haben sich alle auf dieses Abenteuer eingelassen. Die Art und Weise, wie sie von ihrer vielleicht persönlichsten Ausdrucksweise, nämlich ihrer Handschrift, Gebrauch gemacht haben, um ihre ebenso persönlichen Gedanken zum Thema „Freiheit“ zu formulieren, hat mich als Angehörigen der schreibenden Zunft tief beeindruckt. Wenn jede Generation eine neue, noch unbeschriebene Seite aufschlägt, dann enthält dieses Buch das Versprechen, dass dieses Blatt nicht leer bleiben, sondern mit neuen, inspirierenden Gedanken und Ideen gefüllt sein wird.
Mit herzlichem Glückwunsch an alle Preisträgerinnen und Preisträger
Ihr/euer
Michael Peinkofer
Autor, Filmjournalist und Übersetzer